In einem Betrieb besteht ein fünfköpfiger Betriebsrat. Der Vorsitzende Meier und ein
weiteres Mitglied Schulze sollen auf Schulungen gehen, damit der Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber besser und erfolgreicher auftreten kann. Schließlich geht es ja auch um die Wiederwahl und das
Ansehen bei den Kollegen. A möchte gerne zu einem Rethorikseminar, da er hier seine größten Defizite sieht. Schulze fühlt sich hingegen im Bereich des Betriebsverfassungsgesetzes noch nicht ganz so
sicher und möchte ein Seminar mit dem Inhalt „Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats“ besuchen. Die Kosten des Seminars sind verhältnismäßig. Es wird eine Betriebsratssitzung
ordnungsgemäß einberufen und der Betriebsrat fasst einen entsprechenden Beschluss.
Der Arbeitgeber findet die Entscheidung des Betriebsrats gar nicht gut. Denn die
Arbeitnehmer kommen für die Dauer der Schulungen nicht zur Arbeit und er muss sowohl die Lohnkosten als auch die Kosten der Seminare tragen. Er lehnt die Forderungen ab. Meier und Schulze nehmen
dennoch an den Schulungen teil und verlangen die Erstattung der Kosten. Der Arbeitgeber verweigert die Zahlungen und kürzt zudem beiden das Gehalt um die ausgefallene Arbeitszeit. Wer hat
Recht?
Es gibt zwei Probleme bzw. Rechtsfragen: 1. Anspruch auf Freistellung von der Arbeit
und 2. Bezahlung der Kosten
Teil 1: Freistellungsanspruch für den Besuch der
Seminare
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Zunächst gilt der Grundsatz "Ohne Arbeit kein Lohn". Meier und Schulze haben nicht
gearbeit. Sie hätten daher nur Anspruch, wenn sie sich auf eine sog. "Ansprucherhaltungsnorm" berufen können.
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Ein Betriebsratsmitglied ist für Schulungen freizustellen, wenn
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ein Beschluss des Betriebsrat vorliegt
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die Schulung Kenntnisse vermittelt, die für die Betriebsratsarbeit erforderlich
ist
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Der Anspruch ergibt sich aus § 37 Absatz 2 BetrVG
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Das Seminar von Meier ist nicht erforderlich, um die Tätigkeit als Betriebsratsmitglied
auszuüben. Er hat daher keinen Freistellungsanspruch. Bei Schulze ist das Seminar hingegen notwendig, damit der seine Tätigkeit ausüben kann. Er ist Freizustellen.
Teil 2: Übernahme der Seminarkosten
- Der Arbeitgeber hat die durch die Tätigkeit des Betriebsrat entstehenden Kosten zu tragen. Das ist in § 40 Abs. 1
BetrVG geregelt.
- Bei der Schulung des Schulze handelte es sich um eine Tätigkeit des Betriebsrats und eine ordnungsgemäße Durchführung.
Bei Meier hingegen nicht
- Der Arbeitgeber muss aber nur solche Kosten tragen, die unvermeidbar sind. Das Seminar war im Rahmen der Kosten
verhältnismäßig. Der Arbeitgeber hat daher die Kosten zu tragen. Hätte das Seminar z.B. 500 Euero gekostet und ein anderer Anbieter hätte das gleiche Seminar für 350 Euro angeboten, dann hätte der
Arbeitgeber nur 350 Euro erstatten müssen